Hanna steht am Fenster des Pflegeheims, die Hände um eine Tasse Tee geschlossen, während draußen der Herbstwind die letzten Blätter von den Bäumen zerrt. Ihre Mutter Emmi sitzt reglos im Sessel, der Blick leer, die Worte verschwunden. Doch in Hannas Gedanken lebt Emmi – laut, widersprüchlich, voller Sehnsucht. Biarritz, dieser ferne Ort, den Emmi nie wirklich bereist hat, wird zum Symbol einer verpassten Freiheit, eines Moments, der nie ganz Wirklichkeit wurde.
Andrea Sawatzki erzählt diese Geschichte mit der Präzision einer Schauspielerin, die jede Regung kennt, und mit der Tiefe einer Tochter, die selbst durch die Schatten der Vergangenheit gegangen ist. Ihre Sprache ist klar, fast nüchtern, und gerade darin liegt die Kraft. Sie beschreibt nicht nur, sie durchdringt. Die Demenz wird nicht zur Krankheit, sondern zur Landschaft, durch die Hanna sich tastet – auf der Suche nach Versöhnung.
Andrea Sawatzki
Zwischen Bühne und Buch
Man kennt sie aus dem Fernsehen, aus dem „Tatort“, aus Komödien und Dramen. Doch hinter der Kamera lebt eine andere Andrea Sawatzki – die Schriftstellerin, die sich nicht scheut, das Persönliche öffentlich zu machen. Ihre Romane sind keine Fluchten, sondern Konfrontationen. Sie schreibt über Familie, über das Altern, über das, was bleibt, wenn die Erinnerung geht.
Geboren 1963, geprägt von einer Kindheit mit einem demenzkranken Vater, findet sie in der Literatur einen zweiten Ausdruck. Ihre Bücher sind keine bloßen Geschichten – sie sind Spiegel, in denen sich viele Leser:innen wiedererkennen. Mit „Biarritz“ setzt sie ihre autofiktionale Reise fort, diesmal mit der Mutter im Mittelpunkt. Es ist ein stilles, aber eindringliches Werk, das lange nachhallt.